Personen aus Bayern mit unterschiedlichen Akzenten.

Akzent als Diskriminierungsmerkmal

Peter Delius
CEO Lingoplanet GmbH

Heute geht es in unserem Blog um die Bedeutung von Aussprache. Bei der Lektüre eines Artikels im SPIEGEL wurde mir kürzlich klar, dass Kommunikationsbarrieren und die daraus resultierende mangelnde Integration und sogar Diskriminierung schon bei der Aussprache anfangen.

Sie betreffen daher sogar oft Menschen, die eine gemeinsame Sprache fließend sprechen, einschließlich ihrer eigenen Muttersprache.

Der Text von SPIEGEL-Autor Alexander Neumann-Delbarre ist nur für Abonnenten freigeschaltet, darum fasse ich ihn hier kurz zusammen.

Die Geschichte beginnt mit Julie, einem fünfjährigen Mädchen in den USA, das in einem psychologischen Experiment dazu aufgefordert wird, Kinder aus Bildern auszuwählen, mit denen sie gerne spielen würde. Dabei fällt auf, dass sie ausschließlich weiße Kinder auswählt. In einem weiteren Experiment hört Julie die Kinder sprechen und wählt diesmal nur diejenigen aus, die keinen Akzent haben – obwohl alle diese Kinder andere Hautfarben haben als sie. Man kann also feststellen, dass sich die Diskriminierung aufgrund der Aussprache hier noch stärker auswirkt als die Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe.

Vorurteile gegenüber Dialekten und Akzenten

Studien zeigen, dass Vorurteile gegenüber bestimmten Dialekten und Akzenten weit verbreitet sind. Beispielsweise werden Menschen, die „Standard American English“ sprechen, als intelligenter und attraktiver wahrgenommen als bspw. Menschen mit einem osteuropäischen oder russischen Akzent. Auch in Deutschland können sich Akzente negativ auswirken, etwa bei der Suche nach einer Wohnung und bei der beruflichen Entwicklung. Wissenschaftler fanden heraus, dass Arbeitnehmer mit einem starken regionalen Akzent bis zu 20% weniger verdienen als ihre Kollegen, die hochdeutsch sprechen.

Linguistic Insecurity

In diesem Zusammenhang ist das Phänomen der „Linguistic Insecurity“ beobachtet worden: die anhaltende Unsicherheit im Auftreten und manchmal sogar negative Selbstwahrnehmung bei Menschen mit einer starken Sprachfärbung. Mir selbst sind solche Fälle bekannt und jeder, der aus einer Region Deutschlands mit typischem Akzent stammt, weiß, dass es sich ganz anders anfühlt, wenn man Hochdeutsch spricht oder im eigenen lokalen Idiom. Und dass es – gelinde gesagt – ermüdend ist, wenn man immer wieder schräg angesehen und dann gefragt wird, wo man denn herkommt.

 

Genau diese eigene Erfahrung sollte zu mehr Toleranz und Akzeptanz anderer führen, deren Deutsch nicht perfekt ist. Dabei schadet es nicht, die eigenen Reaktionsmuster kritisch zu hinterfragen und eigene, mit bestimmten Akzenten verknüpfte Stereotypen zu überwinden. Es sollte immer der Mensch im Vordergrund stehen, nicht seine Aussprache.